Die Frage kam für Teijiro nicht wirklich überraschend.

"Halten Sie sich für einen? Ihr Name deutet darauf hin, nicht wahr?"

Ein Lächeln glitt über seine Züge, bevor er wieder ernst wurde.

"Vielleicht tue ich das. Vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls... kann man sagen, dass es eine gewisse Faszination hat, sich für einen Gott zu halten... und sich wie einer zu verhalten."

Gackt musterte den anderen. Dessen Worte klangen für ihn verwirrend und doch auch interessant zugleich. Er hatte schon bemerkt, dass sich unter seinen Fans ein gewisser Kult um ihn aufgebaut hatte. Und wie er sich eingestehen musste gefiel ihm diese Vorstellung auch etwas. Sicher, er war kein Gott, das war ihm klar. Aber behandelt zu werden wie einer, verehrt zu werden für das, was man tat, es war ein Gefühl, das er doch sehr genoss.

„Sehen Sie, was ich meine. Ihnen gefällt der Kult, der um Sie gemacht wird. Die Anbetung, die Sie von Ihren Fans erfahren. Doch nun... stellen Sie sich vor, es gäbe diese Anbetung nicht mehr. Niemanden würde interessieren, was Sie tun. Keiner würde Wert darauf legen, Ihnen noch einen Gefallen zu tun.“

Takegami schwieg für einen Moment.

„Der Gedanke daran ist erschreckend, nicht wahr? Ein auf Erden wandelnder Gott braucht seine Untertanen, er braucht die Aufmerksamkeit, die sie ihm schenken... und er braucht ihre Kraft um selbst zu wachsen.“

Gackt legte den Kopf leicht schräg. So verrückt es auch klang, was Takegami sagte, so musste er sich eingestehen wie recht der andere hatte. Die Rufe nach ihm auf der Bühne, der Glanz in den Augen der Fans, wenn er auf der Bühne stand, oder wenn er in einer Show mit Publikum auftrat, all das gab ihm immer wieder die Kraft weiterzumachen. Selbst wenn er manchmal auf der Bühne fast zusammenbrach, die Anfeuerungsrufe seiner Fans gaben ihm die Kraft wieder aufzustehen und weiterzumachen.

Takegami bemerkte, dass der andere seinen Worten nur zu genau lauschte und auch darüber nachzudenken schien.

„Ich bin kein Gott, der auf Erden wandelt. Ich tue das, was ich tue, weil es mir selbst Freude macht, Freude bereitet anderen etwas in ihrem Leben zu geben. Sicher, es wäre nicht angenehm zu wissen, dass es niemanden mehr interessieren würde, doch ich könnte mich auch damit arrangieren ein normales Leben zu führen, abseits des Rampenlicht und der Fans.“

Dem anderen war nicht entgangen, dass Gackts Stimme, auch wenn dieser es versucht hatte, leicht gezittert hatte. So ganz überzeugt war er dann wohl doch nicht von seiner Ansprache.

„Sie könnten sich vielleicht damit arrangieren, doch wie lange würde das dauern? Und wie lange würde das gutgehen, bevor es Sie nicht wieder ins Rampenlicht zieht? Und wer weiß, was das dann für einen Effekt auf Sie hat.“

Takegami blickte dem Sänger direkt in die Augen, während er sich nach vorn lehnte.

„Ist das nicht der Grund, warum Sie sich auch seit mehr als zehn Jahren keine Pause gegönnt haben? Sie haben Angst davor in kurzer Zeit in Vergessenheit zu geraten und versuchen daher sich an ihre Arbeit zu klammern.“

Gackt runzelte die Stirn.

„Ich denke nicht, dass sie mich da richtig einschätzen. Ich genieße die Arbeit, die ich tue und genau das ist auch der Grund warum ich sie tue. Es hat nichts mit Zukunftsängsten oder sonstigem zu tun. Ich tue es, weil ich es will und weil es die Fans wollen.“

„Und wieder sind es die Fans. Ihre Anhänger, die Ihnen diese Kraft geben. Seien Sie ehrlich Gackt-san, wieso wollten Sie die Rolle von mir in diesem Film übernehmen?"

Takegamis Blick war fast durchdringend auf Gackt gerichtet und der andere fühlte sich etwas unbehaglich. Es dauerte einige Zeit bis er antwortete.

"Keiichi hatte mich darum gebeten....."

Er unterbrach sich und Teijiros Augen schienen zu lächeln. Er erkannte nicht dessen Mund unter der Maske, somit war jegliche Regung nur über dessen Augen zu erkennen. Doch diese schienen nun fast zu strahlen.

"Das war nicht der einzige Grund, habe ich recht?"

Takegamis Stimme klang fast schon amüsiert und er konnte das Auflachen nicht verhindern, als Gackt seine Frage beantwortete.

"Meine Fans haben mich davon überzeugt, die Rolle zu übernehmen. Ich hatte, wenn ich ehrlich bin, gezögert."

Innerhalb von einem Sekundenbruchteil wurde Takegami wieder ernst.

"Es war also nicht wirklich ihre Entscheidung. Verzeihen Sie, wenn ich nun direkt bin, aber... auch wenn ich Ihre Schauspielkünste nicht in Frage stellen will, die Entscheidung, eine Rolle zu übernehmen, sollte doch gefällt werden, indem man es selbst will und indem man sich damit auch identifizieren kann."

Sein Blick glitt über den anderen, als würde er jeden Zentimeter durchdringen wollen.

"Das ist der Grund, weshalb es Ihnen schwer fällt in die Rolle zu finden. Sie sind nicht bei der Sache und das ist, gelinde gesagt, etwas, das mich sehr enttäuscht."

Gackt sah den anderen an. Das konnte doch nicht dessen ernst sein. Er hielt ihm hier vor, er wäre nicht bei der Sache und erwartete tatsächlich, dass er sich in einen Mörder hineinversetzte? Takegamis Denkweise war vielleicht etwas verquer, aber ganz sicher war sich Gackt, dass er nicht wie dieser Mann war. Und auch nicht so werden wollte.

Takegami war die veränderte Körperhaltung seines Gegenübers nicht entgangen und ein leichtes Grinsen schlich sich auf seine Züge. Nun musste er sich eingestehen, dass die Maske ihn diesmal nicht wirklich störte. Er beobachtete den anderen und dessen Bewegungen genauer, verkniff sich allerdings etwas zu sagen.

Der Sänger fühlte Wut in sich aufsteigen, als der andere ihn nur schweigend musterte.

"Haben Sie mich nur herholen lassen um mir zu sagen, dass Sie mich für unfähig halten als Schauspieler? Nun, Sie werden damit wohl leben müssen, denn ich werde die Rolle weiterhin übernehmen und Sie so darstellen, wie ICH es mir vorstelle."

Mit diesen Worten erhob er sich und sah Takegami an.

"Für mich ist diese Unterhaltung hiermit beendet."

Gackt ging an dem anderen vorbei zur Tür und klopfte. Er hatte gehört, dass die Polizisten einen Riegel vorgeschoben hatten und wartete nun darauf, dass dieser wieder geöffnet wurde. Er spürte, dass Takegami sich auf seinem Stuhl umdrehte und ihn beobachtete, aber er würde dem anderen nicht die Genugtuung geben ihn noch eines Blickes zu würdigen. Als der Polizist die Tür öffnete, trat er ohne ein weiteres Wort an diesem vorbei nach draußen in den Flur.

"Ich muss zurück an den Drehort."

Officer Shusuke stand an einem kleinen Tisch und sah auf.

"Ich fahre Sie wieder zurück."

Gackt konnte dem jungen Mann ansehen, dass es ihm unter den Nägeln brannte zu erfahren, was er mit Takegami gesprochen hatte, doch solange der andere nicht wirklich fragen würde, würde das einfach sein Geheimnis bleiben. Er wüsste auch nicht wie er dessen Worte jemandem erklären sollte. Er folgte dem Officer aus dem Gefängnis und stieg in den Wagen. Die Fahrt über zum Drehort schwieg er, sah nur aus dem Fenster und hing seinen Gedanken nach. Er war sauer auf Takegami. Dieser schien sich einfach für jemand Besseres zu halten. Gackt biss sich auf die Lippe und starrte weiter aus dem Fenster. Als der Officer den Streifenwagen auf das Drehgelände einlenkte, sah Gackt schon Keiichi und Shiro über den Platz laufen. Er warf einen Blick auf die Uhr und seufzte. Er hatte wohl noch etwa eine Stunde, bevor der Dreh wieder anfangen würde. Der Sänger sah seinen Fahrer an und lächelte.

"Vielen Dank, Officer. Die restlichen Meter kann ich laufen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag."

Gackt deutete eine leichte Verbeugung an, bevor er die Wagentür öffnete, ausstieg und auf seinen Trailer zuging. Er atmete fast schon erleichtert durch, als er in dessen Inneren verschwand ohne von Keiichi oder Shiro aufgehalten zu werden. Die beiden waren anscheinend zu sehr in ihr Gespräch vertieft gewesen um seine Rückkehr zu bemerken. Der Sänger ließ sich auf das Sofa sinken und schloss die Augen, dachte darüber nach, was Takegami ihm erzählt hatte.

Takegami grinste vor sich hin, als die Polizisten ihn zurück in seine Zelle brachten. Dass Gackt so eilig aufgebrochen war, sorgte bei seinen Bewachern für leichte Verwirrung. Sie hatten keine verdächtigen Geräusche aus dem Zimmer gehört, die darauf hätten schließen lassen, dass Takegami vielleicht versucht hatte den anderen anzugreifen und somit war Gackts plötzlicher Aufbruch etwas, das Fragen aufwarf. Als die Zellentür sich wieder hinter ihm schloss, ließ er sich auf den Boden sinken und blieb dort sitzen. Irgendwie war das schon Gewohnheit für ihn geworden sich in der Zelle nur auf dem Boden sitzend aufzuhalten. Nicht, dass es keine Sitzgelegenheit gäbe - die Zelle war wie alle anderen auch mit einem Tisch, einem Stuhl und einer Pritsche ausgestattet. Er lehnte sich an die Wand und starrte an die Decke. Jeder, der an der Zelle vorbeiging, konnte meinen er würde mit offenen Augen schlafen, aber in Wahrheit dachte er nach. Ein Bild des Sängers trat vor seine Augen und er versuchte sich jedes noch so feine Detail des anderen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das Erste, was ihm in den Sinn kam, war das Parfum des anderen. Obwohl der Sänger relativ weit von ihm entfernt gesessen hatte, war Takegami der würzig-süße Duft seines Parfüms nicht entgangen. Die Statur des anderen trat in seine Erinnerung und nahm vor seinem inneren Auge Formen an. Die schlanke und doch durchtrainierte Silhouette des Sängers, an dem nicht ein Gramm zuviel Fett zu sein schien. Unbewusst fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen. Auch wenn Gackt Shirt und Jacke getragen hatte, so waren bei mancher seiner Bewegungen doch das Spiel der Muskeln darunter zu sehen gewesen. Takegami schloss die Augen und lies seine Gedanken noch etwas weiter abdriften.