Gackt stöhnte genervt, als sein Wecker nun schon zum zweiten Mal an diesem Morgen penetrant daran erinnerte, dass es Zeit war aufzustehen. Der Sänger holte aus und fegte das scheppernde Ungetüm elegant gegen die nächste Wand, wo es auch endlich schweigend liegen blieb. Mit einem Grinsen erhob er sich dann doch aus den Federn und streckte sich. Er hatte seinen ganzen freien Tag gestern damit verbracht mit seinem Anwalt und dem Marketingchef Takegamis heutigen Besuch am Set vorzubereiten. Alles war vorbereitet, der Direktor hatte seine Zustimmung gegeben und nach einem Blick aus dem Fenster seines Wohnwagens war er sich sicher, dass der Tag heute äußerst interessant werden würde. Das Gelände war noch weiträumiger abgesperrt worden als sonst und die Zäune, die den sonst immer wieder mal neugierig zusehenden Fans einen recht guten Blick auf das Geschehen geboten hatten, waren durch schwarze Plastikplanen ausgetauscht worden. Der Presse hatte man gesagt, man würde eine wichtige Szene für den Film drehen wollen und um die Spannung nicht zu nehmen, wären diese Vorkehrungen nötig. Einmal mehr war der Sänger erleichtert, dass die Presse in Japan um einiges verständlicher reagierte als woanders. Außer seinem Anwalt, dem Marketingchef, Shiro und ihm wusste niemand, dass Takegami Teijiro das Set besuchen sollte. Keiichi hätte den Dreh sonst vermutlich komplett abgeblasen vor lauter Aufregung. Er warf einen Blick auf die Uhr und nickte dann zufrieden. Er hatte noch Zeit sich zu duschen und auch wenigstens einen Kaffee zu trinken. Teijiro war für zehn Uhr angekündigt und es war gerade mal kurz nach acht.

Takegami konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal in seinem Leben so nervös gewesen war. Er saß in seiner Zelle und hörte die Wärter und anderen Gefangenen davor den Flur entlang gehen. Die Gespräche selbst bekam er nicht wirklich mit durch die verschlossene Tür und sie interessierten ihn auch nicht. Er war eher damit beschäftigt, sich zu fragen, wieso Gackt darauf bestanden hatte, ihm einen Tag am Set zu ermöglichen. Das widersprach selbst in seinen Augen allem logischen Denken. Teijiro schüttelte den Kopf und lachte leise in sich hinein, als der Schlüssel in seiner Zellentür sich drehte.

"Es ist soweit, Teijiro."

Der Rektor stand zusammen mit zwei Wächtern in der Tür. Auch wenn er immer noch nicht wirklich überzeugt davon war, dass es eine gute Idee war, so war er doch erstaunlich gefasst. Er lächelte sogar freundlich, als er den beiden Wächtern neben sich ein Zeichen gab.

Eigentlich hatte Takegami erwartet so wie er war, in der ihm nur zu bekannten Zwangsjacke, zum Drehort gebracht zu werden. Umso mehr erstaunte es ihn, dass die Wächter die Jacke plötzlich öffneten.

"Die Jacke können wir nicht gebrauchen außerhalb der Mauern. Ihre Bewegungsfreiheit wäre zu sehr eingeschränkt, was wiederrum Ihre Sicherheit gefährden würde."

Der Rektor musste lachen, als er Teijiros fragenden Gesichtsausdruck sah.

"Ja, ein Freigang hat auch etwas mit Ihrer Sicherheit zu tun, nicht nur mit der der Öffentlichkeit. Ich bin für Sie genauso verantwortlich wie für die Menschen in Ihrer Umgebung."

"Verstehe..."

Takegami beobachtete den Wärter, der ihm einen Gürtel um die Hüfte legte und diesen hinter seinem Rücken verschloss. An der Stelle, an der normalerweise die Gürtelschnalle saß, befand sich eine kleine Metallöse. Gerade als er fragen wollte, legte der Wärter ihm zwei Handschellen an, die mit einer jeweils etwas längeren Kette an dieser Öse befestigt wurden. Somit konnte er seine Hände relativ frei bewegen ohne wirklich frei zu sein. Während er die Handschellen noch betrachtete, klickte es erneut und er blickte an sich hinunter. Der Wärter erhob sich gerade wieder und sah den Direktor an.

"Fertig, wir können."

Takegami blinzelte leicht. Seine Beine waren durch eine Kette verbunden. Er war somit nicht in der Lage zu fliehen. Sollte er allerdings stolpern, wäre er in der Lage sich selbst abzufangen.

Der Direktor lächelte leicht. Er schien den Gedankengang des anderen bemerkt zu haben.

"Genau das ist der Zweck dahinter. Die Fußfesseln sollen verhindern, dass Sie flüchten und die Handschellen sind dazu da Ihnen die Chance zu geben, sich selbst wenigstens etwas zu schützen, sollte etwas Unvorhergesehenes geschehen und wir nicht schnell genug reagieren."

Takegami nickte leicht. Er konnte seine Hände immerhin so weit heben, dass er sich im Falle eines Falles abfangen konnte ohne sich zu verletzen, und auch einen Angriff würde er auf diese Art relativ gut abwehren können. Er ging zwar nicht davon aus, dass es einen Angriff geben würde, aber Vorsicht war besser als Nachsicht.

"Auch wenn ich davon ausgehe, dass Sie diese Chance hier nicht nutzen werden um Unsinn anzustellen, muss ich mich leider an eine Auflage der Obrigen halten."

Der Rektor seufzte leise und deutete auf die Maske, die einer der Wärter in der Hand hielt. Im Gefängnis selbst war es Takegami inzwischen erlaubt ohne die Maske seinen Alltag zu verbringen, dementsprechend skeptisch war auch sein Blick, als er das Plastikteil entdeckte.

"Eine Anordnung der Obrigen um diesen Ausgang zu erlauben."

Takegami seufzte ergeben und lies sich von dem Polizisten neben ihm die Maske anlegen, bevor er von den beiden Wächtern aus der Zelle hinaus und zu einem Einsatzwagen geführt wurde. Es war kein normales Polizeiauto sondern ein kleiner Bus mit vergitterten Fenstern, der auf dem Hof des Gefängnisses bereitstand, welcher sich auch sofort in Bewegung setzte, nachdem die Türen geschlossen waren.

Gackt stellte seine leere Kaffeetasse ab und öffnete die Tür zu seinem Wohnwagen. Vor ihm standen der Marketingchef und Shiro, wobei dieser äußerst nervös wirkte.

"Sind Sie soweit, Gackt-san?"

Koyama, ein älterer und recht gemütlich wirkender Herr, lächelte leicht und Gackt warf einen Blick auf seine Uhr. Es war doch tatsächlich schon mehr Zeit vergangen, als er gedacht hatte. Nach einer Dusche hatte er doch tatsächlich die letzte Stunde damit verbracht, am PC einige Emails zu lesen und die Zeit vergessen. Der Sänger nickte und kehrte nochmal kurz zurück um seine Jacke zu holen. Es schien zwar die Sonne, aber dennoch war es morgens schon recht kühl und eine Erkältung war das Letzte, was er nun gebrauchen konnte. Er lächelte Shiro aufmunternd zu und folgte den beiden Männern über den Platz. Aufgrund der Absperrungen war es nun fast schon beängstigend ruhig. Er betrachtete das Gelände, das auf eine fast schon gespenstige Art und Weise verlassen wirkte. Einige Sicherheitsleute begannen eilig an ihnen vorbei in Richtung des provisorischen Tores zu laufen und Gackt hob eine Augenbraue.

"Es scheint bald soweit zu sein. Wo ist Keiichi?"

"Keiichi ist mit den anderen schon am Drehort. Wir haben ihm, wie Sie vorgeschlagen haben, nichts von Takegamis Ankunft hier verraten. Aber sind Sie wirklich sicher, dass Sie diese Aktion durchführen wollen?"

Der Sänger verzog die Lippen zu einem Grinsen und nickte.

"Natürlich bin ich sicher, sonst hätte ich doch nicht Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt dafür."

Er lächelte leicht. Er wusste auf was der Marketingchef anspielte. Takegami sollte an seiner Stelle als Erster das Drehgelände der heutigen Szene betreten. Es handelte sich dabei um einen Nachbau des Wohngebäudes, in dem man Takegami verhaftet hatte, beziehungsweise um den Flur davor. Gackt hatte seine Kleidung bewusst gewählt, eine etwas ausgewaschene Jeans und ein blaues Hemd sowie einen schwarzen Mantel. Diesen würde er allerdings für seinen Auftritt an Takegami abgeben, und nun hieß es warten. Er hoffte nur, dass Keiichi nicht zu ungeduldig werden und sich womöglich noch auf die Suche nach ihm machen würde. Doch seine Sorge war unbegründet, denn keine Minute später fuhr ein dunkler Van durch das extra geöffnete Tor auf den Platz.

Gackt spürte wie sein Herz einen Moment auszusetzen schien und lächelte leicht, als er bemerkte, wie Shiro sich etwas weiter hinter dem Marketingchef versteckte. Der Van hielt nicht weit von ihnen entfernt und der Direktor des Gefängnisses stieg aus. Er lächelte dem Sänger zu und verbeugte sich leicht, bevor er dem Fahrer ein Zeichen gab.

Der Sänger hörte ein Schloss schnappen und kurz darauf öffneten sich auch die Schiebetüren des Van. Zwei Polizisten stiegen aus und sahen sich prüfend um, bevor sie in das Halbdunkel des Wagens nickten. Ein Lächeln glitt über Gackts Lippen, als er Shiro und Koyama die Luft anhalten hörte, während Teijiro aus dem Wagen stieg.