Er ließ eine Augenbraue wippen und leckte sich ganz langsam über die Lippen, sich deutlich bewusst, dass der andere seinen Blick nicht abwandte.

"Gegen die Auflage des Direktors verstoßen?", antwortete Gackt lächelnd, während er sich wieder etwas zurücklehnte, dadurch den Kontakt zwischen seiner Wange und Takegamis Hand unterbrach.

Sofort verschwand der Schauer, der sich kontinuierlich über seinen Rücken gezogen hatte bei dessen Berührung und er unterdrückte das leise Seufzen, das sich in seiner Kehle ausbreitete. Er wusste nicht mal selbst, ob es aus Erleichterung entstand oder aus Enttäuschung. Der Ältere verwirrte ihn. Sein Blick hing noch immer an Takegamis Lippen, auch wenn er sich zurückgelehnt hatte. Dies war schon viel besser als nur dieses weiße Plastik zu sehen.

"Das auch, ja...", beantwortete Teijiro seinen Kommentar und lächelte ebenfalls.

"Aber eigentlich meinte ich etwas ganz anderes."

Gackt sah den anderen an und lachte kurz auf.

"Sie wollen mir doch nicht etwa Angst machen, indem Sie andeuten, dass Sie mich nun gerne essen würden?"

Sein Gegenüber schnalzte mit der Zunge, bevor er lachte.

"Sie haben recht. Vermutlich kein strategisch günstiger Schachzug."

Er zwinkerte und rieb sich mit den Händen übers Gesicht. Die Maske war nicht sonderlich schwer, eigentlich spürte er das Plastik nie wirklich, und doch hatte er, sobald sie weg war, das Gefühl, dass alle Muskeln und Nerven in seinem Gesicht eingeschlafen waren.

"Alles in Ordnung?"

Der Ältere blinzelte zwischen seinen Fingern hindurch und nickte.

"Jaja... alles bestens. Ich bin es nicht mehr gewohnt, das Ding stundenlang zu tragen."

Er grinste schief und lehnte sich nun ebenfalls zurück, beobachtete wie der Sänger sich nach der Maske bückte und diese einige Sekunden nachdenklich betrachtete, bevor er sie auf den Tisch neben sich legte.

"Was ist? Wollen Sie sie nicht einmal ausprobieren?"

Er lachte leise, als der Jüngere ihn etwas entgeistert anblickte.

"Ich hab das Drehbuch nicht gelesen. Ich weiß also nicht, ob Keiichi diese Szene auch eingebaut hat. Wenn er schon meinen Angriff auf den Psychologen so detailliert beschrieben hat, wie ich heute Morgen feststellen konnte."

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sich die Szene des Drehs wieder vor Augen rief. Gackt, der gegenüber eines anderen Schauspielers am Tisch gesessen hatte. Wie er selbst vor etwas mehr als einem Jahr, hatte der Sänger nach einigen Minuten nach dem Kugelschreiber des anderen gegriffen und in dessen Hand gerammt. Natürlich war makeup-technisch nachgeholfen worden in diesem Moment und dennoch kamen ihm die Erinnerungen an sein eigenes Verhalten von damals in den Sinn.

Er war tatsächlich kurz danach über den Tisch gesprungen und hatte den Psychologen in den Hals gebissen. Das Ergebnis war danach die Maske bei jedem Verhör gewesen, bis es auch soweit war, dass man sie ihm in der Zelle nicht mehr abgenommen hatte. Es stimmte, er hatte versucht einen der Wärter zu beißen, allerdings auch wirklich nur einen, aber sofort hatten alle Panik gehabt. Er lachte in sich hinein und sah den Sänger an.

Gackt hatte die Szene sehr authentisch nachgestellt und Takegami musste sich eingestehen, dass Keiichi ihm unheimlich wurde. Er hatte nicht selten Post von irgendwelchen Jugendlichen bekommen, der Direktor hatte sie teilweise recht herablassend als >irre Fans< bezeichnet. Dem ein oder anderen hatte er auch geantwortet, auch wenn er sich nicht sicher war, ob seine Briefe jemals das Gefängnis verlassen hatten. Nicht, dass es ihn interessiert hätte. Keiner der Jugendlichen war auch nur annähernd so interessant erschienen wie der Mann, der ihm gerade gegenüber saß.

Auch wenn der Dreh nun schon mehrere Stunden her war, hatten dessen Augen noch immer den gleichen Hunger, den er gesehen hatte, als der Mann vor der Kamera gestanden hatte. Als wäre ein Teil von ihm noch immer in der Szene gefangen.

"An was denken Sie gerade, Gackt-san?"

Er konnte sich die Frage nicht verkneifen, da der Jüngere ihn noch immer ansah. Er beobachtete wie der Sänger den Kopf schüttelte und der Ausdruck in seinen Augen fast verschwand.

"Eigentlich an nichts. Um ihre Frage zu beantworten: Keiichi hat diese Szene nicht aufgenommen, jedenfalls nicht in der Fassung des Drehbuches, die ich gelesen habe."

Gackt verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen, als er Takegamis Blick bemerkte.

"Und ja, ich muss sagen ich bin froh, wenn das auch so bleibt."

Takegami lachte auf und lehnte sich bequemer auf dem Sofa zurück.

"So schlimm wie es scheint, ist es gar nicht. Es stört zwar ab und an, aber man gewöhnt sich glaub ich an alles."

Er lächelte leicht, bemerkte, dass der Sänger ihn noch immer in jeder Bewegung beobachtete. Doch etwas in den Augen des anderen hatte sich verändert. Hatte er zuvor fast schon den animalischen Hunger gesehen, den er von sich selbst kannte, so war es nun zwar auch noch ein Verlangen, allerdings eines der Art, die er in seinem Leben noch nicht sehr oft gesehen hatte.

Er hob eine Augenbraue und beobachtete den anderen nun ebenfalls etwas aufmerksamer. Dieser schien sich zwar noch immer in seiner Nähe nervös zu fühlen, doch hatte das Zittern, wie es schien, aufgehört.

Gackt beobachtete wie der Ältere sich zurücklehnte. Die Anspannung war aus ihm gewichen, als die Hand des anderen sich von seiner Wange gelöst hatte. Und dennoch fiel es ihm schwer seine Gedanken zu ordnen. Sein Blick glitt unstet über die schlanke Figur auf dem Sofa. Seine Gedanken kreisten in einer Art, von der er gedacht hatte, dass es nie passieren würde. Was auch immer der Ältere mit ihm tat, es verwirrte ihn von Sekunde zu Sekunde mehr.

Takegami leckte sich leicht über die Lippen, als sein Blick über Gackts Körper glitt. Der Sänger trug noch immer das gleiche Outfit, das er für den Dreh getragen hatte. Die Sachen waren nicht so eng anliegend wie die, die er bei seinem ersten Besuch im Gefängnis getragen hatte, aber Teijiro fiel es auch nicht sonderlich schwer sich den Anblick von damals wieder ins Gedächtnis zu rufen. Es war nicht so, dass der Ältere sich jemals zu Männern hingezogen gefühlt hätte, jedenfalls nicht auf die Art, die Gackt gerade in ihm auszulösen schien. Er hatte den verlangenden Blick des Jüngeren bemerkt, die Augen, die noch dunkler erschienen als sie es eh schon waren, wenn sie ihn nun ansahen. Die suggerierte Idee, dass er ihn mit den Augen ausziehen würde. Vermutlich tat Takegami gerade nichts anderes, als er den anderen so beobachtete, doch irgendwie jagte es ihm einen Schauer über den Rücken. Gackts Augen hatten noch immer einen Hauch von animalischem Verlangen, das er auch bei den Dreharbeiten gesehen hatte und dennoch leuchtete hin und wieder eine gewisse Leidenschaft in ihnen auf, die er sich nicht erklären konnte.

Gackts Blick wanderte über Takegamis Gestalt, wie er auf dem Sofa saß. Der Ältere hatte sich zurückgelehnt und Gackt bemerkte sehr wohl, dass er ihn ebenfalls beobachtete. Ein Kribbeln zog sich über seinen Rücken, wenn er die Augen des anderen streifte. Das Schweigen, das zwischen ihnen seit einigen Minuten herrschte, verstärkte die Anspannung in ihm nur noch und er ließ unbewusst seine Zunge über seine Lippen gleiten, die plötzlich wie ausgetrocknet erschienen. Er beobachtete, wie der Mund des Älteren sich bewegte, brauchte aber einige Sekunden um zu bemerken, dass der andere mit ihm sprach. Zu sehr war er im Anblick dieser schmalen und doch so weich aussehenden Lippen gefangen. Er blinzelte einige Male und sah sein Gegenüber irritiert an.

Takegami hob eine Augenbraue und lachte leise, als der Sänger sich blinzelnd aus seiner Art der Hypnose löste.

"Ist alles in Ordnung, Gackt-san? Sie... sahen etwas verloren aus gerade."

Die Stimme des Älteren war zwar ruhig und hatte dennoch einen leicht amüsierten Unterton. Gackt schoss erneut das Wort sexy durch den Kopf, als er sie hörte. Wie würde sie sich wohl unter anderen Umständen anhören. Der Sänger schluckte und schüttelte unauffällig den Kopf.

"Ja...ja, alles bestens. Ich war nur gerade etwas in Gedanken versunken. Verzeihen Sie."

Er verbeugte sich leicht und lächelte entschuldigend, darauf hoffend, dass sein Gegenüber es bei dieser Erklärung belassen würde. Doch wie es schien hatte Takegami genau das nicht vor, denn der Ältere setzte sich wieder aufrechter hin und lehnte sich etwas nach vorne.

"Verraten Sie mir auch, an was Sie so verloren gedacht haben? Oder sollte ich lieber fragen, was Sie in Ihren Gedanken gerade getan haben?"

Gackt hob eine Augenbraue und sah den Älteren an.

"Wie soll ich denn die letzte Frage bitte verstehen?"

Es war nicht so, dass er nicht wusste, was der andere vermutlich meinte und doch wollte er nicht aus Versehen in irgendein Fettnäpfchen treten.

"Nun, würde ich es nicht besser von Ihnen wissen, dann hätte man meinen können, dass Sie mich am liebsten verspeisen würden."

Der Ältere lachte leise auf, während er den Sänger beobachtete.

"Und... was, wenn es so wäre?"

Camui bemerkte wie die Augenbraue seines Gegenüber sich interessiert nach oben schob. Er war sich sicher, dass Teijiro es auch wortwörtlich so gemeint hatte, wie er es gesagt hatte, aber Gackt selbst hatte eigentlich etwas anderes im Sinne gehabt wie er sich bei genauerem Nachdenken eingestehen musste. Andere würden es wohl als Selbstverliebtheit auslegen, da der Ältere ihm vom Aussehen her doch recht ähnlich war. Gackt schüttelte gedanklich den Kopf über diese Idee.

Nein, das war es nicht. Es stimmte, dass er sich von dem Älteren angezogen fühlte, allerdings hatte dies nichts mit dessen Aussehen zu tun, eher mit der Art, wie dieser sich ihm gegenüber gab. Gackt wusste ja noch nicht einmal welche Vorlieben Takegami hatte. Seine Opfer waren von beider Geschlecht gewesen, aber er war sich absolut nicht sicher, ob er auch eine andere Art von Beziehung mit diesen gehabt hatte. Und den Älteren danach fragen würde er ganz sicher nicht tun.

Takegami lehnte sich etwas nach vorn und beobachtete sein Gegenüber. Der Jüngere wirkte schon wieder etwas abwesend und in Gedanken versunken und ein Lächeln stahl sich auf seine Züge. Er hatte sich schon gedacht, dass der Sänger etwas anderes meinte als er, aber nun war ihm auch klar, was er gemeint hatte. Der Gesichtsausdruck, den Camui hatte, verriet ihn fast schon zu einfach und Takegami lachte leise.

"Ich wüsste gerne, woran Sie gerade denken... vielleicht kann ich das Grübeln, das sich gerade in ihren Augen zeigt, ganz einfach abstellen."

Camui blinzelte etwas irritiert und lächelte dann nervös.

"Nun... ich hatte mich gerade gefragt, welche Beziehung sie zu ihren Opfern eigentlich unterhalten hatten. Ich meine... Keiichi hat die Szenen meist so geschrieben, als ob es sich um Zufallsbegegnungen gehandelt hätte, ich weiß nur nicht, ob das für den Film so gekürzt wurde, er es nicht besser weiß oder ob es wirklich so war."

Takegami lächelte leicht.

"Nun... es waren meist wirklich Zufallsbegegnungen. Ich hatte zu keinem meiner Opfer eine nähere Beziehung."

Er musterte den Jüngeren und lehnte sich noch etwas weiter vor.

"Auch keine sexuelle, falls sie darauf anspielen. Es stört mich allerdings auch nicht, ob mein Opfer männlich oder weiblich ist. Und auch nicht, ob meine Sexualpartner männlich oder weiblich sind."

Takegami lächelte leicht, während er seinen Blick über sein Gegenüber gleiten ließ. Er würde lügen müssen, wenn er sagen sollte, dass der Sänger ihm nicht gefiel. Und er würde noch mehr lügen, wenn er behaupten würde, er hätte nicht schon in Gedanken ganz andere Dinge mit ihm angestellt, als sich nur zu unterhalten. Seine Zunge glitt unbewusst über seine Lippen.

Gackts Blick heftete sich an Teijiros Lippen. Er war sich nicht sicher wieso, aber die Aussage des Älteren hatte in ihm fast schon ein Glücksgefühl ausgelöst und zauberten ein leichtes Lächeln auf seine Züge. Er war so von dem Moment gefangen, dass er gar nicht bemerkte wie sein Gegenüber sich noch etwas weiter nach vorn lehnte, seinem Gesicht noch näher kam und seinen Blick mit seinen Augen auffing. Es dauerte einige Sekunden, bis der Sänger wusste wie ihm geschah, als sich zwei Lippen sanft auf seine legten. Der Jüngere zuckte zusammen und blinzelte überrascht. Wie schon bei der ersten Berührung des anderen am heutigen Tage jagte es wie ein elektrischer Blitz durch seinen Körper. Diesmal war er allerdings zu überrascht, um das leise Keuchen zu unterdrücken.

Takegami lächelte leicht, als er das leise Keuchen hörte, lehnte sich noch etwas weiter vor, als er bemerkte, wie der Jüngere ihm auszuweichen versuchte. Und auch, wenn er die leichte Welle des Zitterns in Camuis Körper wahrgenommen hatte, so merkte er doch auch, dass der Sänger sich nicht wirklich gegen ihn wehrte. Teijiro hielt ihn nicht fest und doch stieß sein Gegenüber ihn nicht weg, gab nach seinem ersten Versuch sich zurückzulehnen auch schon jeden Widerstand auf. Der Ältere lächelte leicht, als er spürte wie Camui sich kurz darauf etwas mehr in den Kuss lehnte. Er hob den Blick und bemerkte wie die Augenlider des anderen sich langsam schlossen, wie dieser sich entspannte und wie dessen Körper sich entspannte. Takegami unterdrückte das leise Seufzen, das sich in seiner Kehle bildete als der Sänger den Kuss zu erwidern begann. Oh ja, die Lippen des anderen waren wirklich so weich wie er sie sich nach ihrem ersten Treffen vorgestellt hatte. Jetzt stieg ihm der Duft des Parfums des Jüngeren noch intensiver in die Nase und betäubte seine Sinne fast vollkommen. So spürte er auch im ersten Moment nicht, wie die Hand des Jüngeren ihren Weg in seinen Nacken gefunden hatte, ihn näher an sich zog und ihn zwang sich mit den Händen an den Lehnen des Sessels abzustützen, um nicht direkt auf Gackt zu fallen. Er keuchte leicht überrascht an den weichen Lippen, bevor sich ein Grinsen auf seine Züge schlich und er sanft mit den Zähnen an dessen Unterlippe knabberte, wohlwollend zur Kenntnis nehmend, dass sein Gegenüber ebenfalls eine kleine Schrecksekunde dadurch erlebte. Aber nein, dies war anders als das Zusammensein mit einem seiner Opfer damals. Der Mann ihm gegenüber war ihm fast ebenbürtig, es war etwas anderes, das sie verband und auch, wenn er nicht wusste was es war, so war er sich sicher, dass keiner von ihnen die folgenden Momente vergessen würde.