"Nein, nein, so geht das nicht. Schnitt!!!"

Der Regisseur schüttelte den Kopf und seufzte resigniert.

"Gackto-san, versuchen sie sich in ihn hineinzudenken. Seine Gefühle zu fühlen, sein Handeln zu verstehen und zu begreifen."

Keiichi machte eine ausufernde Bewegung mit seinen Armen um seine Worte zu unterstreichen und Gackt seufzte.

//Das sagt sich so leicht. Ich soll hier einen Serienkiller spielen, der seine Opfer aufisst und er sagt ich soll mich in ihn hineindenken...//

Gackt unterdrückte es die Augen zu verdrehen und sah Keiichi an.

"Können wir eine Pause machen? Das zehrt alles doch ziemlich an den Kräften."

Der Regisseur hob fragend eine Augenbraue, nickte dann allerdings nur.

"Na gut, machen wir eine Pause."

Er sah auf die Uhr und schüttelte den Kopf.

"Besser noch machen wir Feierabend. Es ist spät und wir kommen wohl eh nicht mehr weiter heute." Er seufzte und klatschte in die Hände.

"Okay... Drehschluss. Wir sehen uns morgen Nachmittag wieder für die Verfolgungsszenen."

Gackt erhob sich von seinem Stuhl und streckte sich. Dieser Dreh war wirklich anstrengend. Er liebte die Schauspielerei und bisher hatte er auch immer das Gefühl gehabt, dass es ihm leicht fiel sich in Rollen hineinzuversetzen, doch diese Rolle hatte es wirklich in sich. Er sollte in einem Film den Massenmörder Takegami Teijiro spielen, der, nachdem er seine Opfer getötet hatte, diese auch gegessen hat. Momentan saß Takegami noch im Tokioter Gefängnis und wartete auf seine Hinrichtung. Gackt fragte sich mehr als einmal wieso Keiichi dessen Lebensgeschichte unbedingt verfilmt haben wollte, aber es schien die Zuschauer zu interessieren, und seinen Fans schien die Idee, ihn als Serienkiller zu sehen, auch zu gefallen. Der Sänger fragte sich dennoch, wie er es schaffen sollte, diesen Menschen so darzustellen, wie Keiichi es sich vorstellte. Der Regisseur hatte ihm die Unterlagen, die er gesammelt hatte, gezeigt. Jeder Zeitungsartikel, jeder noch zu kleine Bericht, akribisch abgeheftet in einem Ordner. Selbst Gerichtsprotokolle, die zwar nicht wirklich offiziell waren sondern von Keiichi selbst während der Verhandlungen verfasst worden waren, fanden sich in dem Ordner. Gackt hatte sich eingestehen müssen, dass er Keiichis Interesse an Takegami durchaus verstehen konnte. Es war die Psyche des Mannes, die ihn reizte und die ihn auch dazu gebracht hatte die Rolle anzunehmen. Dennoch war es schwer diesen Mann auch wirklich so darzustellen wie die Aufzeichnungen ihn erscheinen ließen. Gackt schlenderte zu seinem Wohnwagen und wollte gerade die Tür öffnen, als Shiro auf ihn zugerannt kam.

"Gackt-San, Gackt-san, moment!"

Der junge Assistent des Marketingchefs kam heftig keuchend vor ihm zum Stehen und brauchte erst einmal einige Sekunden um wieder zu Atem zu kommen.

"Shiro, was ist denn los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."

Der junge Mann war wirklich recht blass um die Nase und das hatte sicher nichts mit seinem Sprint zu tun, den er augenscheinlich soeben hinter sich hatte. Shiro schüttelte nur heftig den Kopf und schnappte erneut nach Luft wie ein Fisch an Land.

"Der...der Boss hat gerade einen Anruf aus dem Gefängnis erhalten...", stotterte er.

"Take...Takegami möchte sich mit ihnen unterhalten, Gackt-san!"

Nun war es an Gackt auszusehen als wäre er einem Geist begegnet. Er hatte das Gefühl alles Blut würde aus seinem Gesicht weichen und er sah Shiro vollkommen entgeistert an.

"Bitte... Bitte was?"

Wieso sollte Takegami Teijiro mit ihm sprechen wollen? Das war etwas, das dem Sänger nun absolut nicht verständlich erschien. Shiro holte tief Luft um sich zu beruhigen und fuhr dann fort.

"Er weiß von dem Film und den Dreharbeiten, und auch davon, dass Sie seine Rolle übernommen haben. Er.. würde gerne mit ihnen sprechen. Ich habe keine Ahnung worüber, aber der Chef hat das Treffen für morgen Vormittag angesetzt."

Gackts Gesichtszüge schienen noch mehr zu entgleisen, denn Shiro trat fast schon erschrocken einen Schritt zurück.

"Morgen... Vormittag schon?"

Der Junge nickte.

"Ja.... morgen Vormittag findet kein Dreh statt und naja... Takegami schien auf ein baldiges Treffen zu bestehen. Sie werden um 9 Uhr abgeholt werden Gackt-san."

Gackt holte tief Luft und nickte dann zögerlich.

"In Ordnung. Dann... morgen Vormittag."

Der Sänger nickte erneut und lächelte leicht, auch wenn ihm das fast schon unendlich schwer fiel. Er wartete noch einige Sekunden, doch als Shiro nichts mehr hinzuzufügen hatte, öffnete er die Tür seines Trailers und verschwand darin.

Die Nacht war kurz, und selbst Gackt musste sich eingestehen, zu kurz. Er hatte mehrere Stunden damit verbracht zu grübeln, was ihn erwarten würde, aber er hatte keine Erkenntnis erhalten. Irgendwann in den frühen Morgenstunden war er dann eingeschlafen, nur um, wie es ihm schien, Minuten später vom penetranten Klingeln des Weckers wieder aus dem Schlaf gerissen zu werden. Der Sänger schälte sich aus dem Bett und machte sich für das Treffen fertig, über dessen Zweck er die letzte Nacht gegrübelt hatte. Als er den Wagen vor der Tür hörte, war er noch immer zu keinem wirklichen Entschluss gekommen. Gackt nahm seine Jacke, warf einen letzten Blick in den Spiegel und öffnete just in dem Moment die Tür, als der Fahrer die Hand zum Klopfen gehoben hatte. Er konnte sich das leichte Grinsen, das sich auf seine Lippen schlich, nicht verkneifen, als er den perplexen Gesichtsausdruck des anderen Mannes bemerkte, der schnell die Hand wieder sinken ließ.

"Gu...Guten Morgen Gackt-San. Ich bin Officer Shusuke, ich bin hier um sie abzuholen."

Der Officer trat einen Schritt zurück und verbeugte sich leicht vor Gackt, bevor er diesen mit einer Handbewegung zum Wagen geleitete. Wie der Sänger erwartet hatte war es ein Polizeiwagen und er musste schmunzeln, als er daran dachte wie wohl seine Fans reagieren würden, wenn sie sehen würden, dass er mit einem Einsatzwagen abgeholt wurde. Er stieg in den Wagen und wartete auf den Officer. Es war ein komisches Gefühl, doch er ließ sich nichts anmerken. Officer Shusuke stieg ein und fuhr auch ohne große Verzögerungen los. Die Fahrt dauerte nicht besonders lange, Shusuke schwieg und dennoch hatte Gackt das Gefühl, dass der andere sich in seiner Gegenwart unwohl zu fühlen schien. Er bemerkte immer wieder wie der Officer ihm heimliche Blicke zuwarf, sich aber nicht traute, ihn auch nur anzusprechen.

Als der Wagen am Gefängnis eintraf, spürte Gackt die Anspannung in sich, bald Takegami gegenüberzusitzen. Die Tore des Gefängnisses öffneten sich und der Einsatzwagen rollte auf den Innenhof. Der Sänger wartete bis Shusuke ihm die Türe öffnete und stieg aus. Sein Blick glitt über den Innenhof und an den Wänden hinauf. Der Officer führte ihn in das Gebäude und durch die Sicherheitskontrollen. Es kam Gackt wie eine Ewigkeit vor bis er sich in dem Besprechungsraum an den Tisch setzen konnte. Die Anspannung stieg noch mehr, als die Tür geschlossen wurde und er alleine mit seinen Gedanken war. Noch immer hatte er keinen wirklichen Grund für Takegamis Wunsch, ihn zu treffen, finden können. Der Sänger war so in seine Gedanken vertieft, dass er zusammenzuckte, als die Tür sich wieder öffnete. Das Erste, was er sah, war ein Polizist, der den Raum betrat und diesen inspizierte. Als er mit dem Anblick zufrieden war, nickte er seinen Kollegen, der offensichtlich auf dessen Zeichen gewartet hatte, zu und dieser betrat, in Begleitung von Takegami Teijiro, den Raum. Eine Gänsehaut lief über Gackts Rücken und er konnte nicht verhindern, dass er beim Anblick des Mannes verkrampfte. Takegami trug neben der blauen Gefängnishose nicht wie alle anderen das passende blaue Oberteil, sondern eine weiße Zwangsjacke, die bis zum Hals eng verschlossen schien. Das wäre nicht das Erschreckende an seinem Anblick gewesen. Eher der Blick in sein Gesicht. Außer den Augen konnte Gackt nicht viel in dessen Gesicht erkennen. Der andere trug eine weiße Plastik-Maske über Mund und Nase. Camui hatte in der Presse gelesen, dass der Mann anscheinend mehrfach versucht hatte die Wächter und Mitgefangene zu beißen und dass ihm diese Maske aus Sicherheitsgründen angelegt worden war. Der Sänger kam nicht umhin zu schlucken bei dem Anblick, versuchte sich aber nichts anmerken zu lassen, als Takegami von dem Officer zum Tisch geleitet wurde. Der andere wirkte vollkommen ruhig, als die Polizisten sich zuerst nur an die Tür zurückzogen, bevor sie den Raum langsam verließen. Anscheinend waren sie davon überzeugt, dass die Sicherheitsmaßnahmen ausreichend waren um Gackt mit dem Serienmörder allein zu lassen.

Takegami hatte bemerkt wie der andere sich bei seinem Auftreten verkrampft hatte und ein leichtes Lächeln glitt über seine sonst unbewegten Züge.