Etwas mehr als ein Jahr war vergangen seit ihrem Aufeinandertreffen und ihrer gemeinsamen Flucht. Ein kleines Ein-Zimmer-Appartment in einem Außenbezirk Wiens war ihr neues Zuhause geworden. Das Deutsche Reich war kurz vor dem Fall, die Alliierten standen vor dem Endsieg und es war nur eine Frage der Zeit bis dieser sinnlose Krieg endlich vorbei wäre.

Zero saß am Fenster, betrachtete das Treiben auf den Straßen unter ihm, neugierig und verängstigt auf Protos Rückkehr wartend, wie jeden Tag. Während der Ältere sich fast ohne Scheu unter den Bewohnern der Stadt bewegte, hatte Zero selbst nur selten die Wohnung verlassen. In Gesellschaft Anderer war er unsicher, hatte immer wieder Angst als Cyborg erkannt zu werden. Die Abneigung gegen Soldaten war in den letzten Tagen noch weiter angestiegen und er wollte nicht herausfinden was geschehen würde, wenn die Bevölkerung erkennen würde was Proto und er waren. Er hatte Angst sich zu verraten, denn es fiel ihm fast schon unnatürlich schwer den Älteren mit dessen Vornamen anzusprechen. Immer wieder rutschte ihm ein 'Proto' über die Lippen, lies ihn für Millisekunden einfrieren wenn er den Fehler bemerkte. Proto, oder Camui wie er wirklich hies hatte deutlich weniger Probleme damit, sich zu verstellen, den Menschen um ihm herum vorzuspielen, einer von ihnen zu sein. Der Ältere hatte angefangen, als Straßenkünstler mit Portraitzeichnungen von Passanten, etwas Geld zu verdienen um die Miete für ihre kleine Behausung zu bezahlen.

Ein leichtes Lächeln glitt über Zeros Züge als er den Anderen durch die Menschenmenge wandern sah. Er hob kurz winkend die Hand als er erkannte das Proto seinen Blick bemerkt hatte, bevor er sich vom Fenster löste und aufs Sofa sank.

Proto schmunzelte leicht als er den anderen am Fenster stehen sah. Es war ein beruhigendes Gefühl zu sehen, das man erwartet wurde, und das der andere noch da war. Es machte ihn traurig das er Rei nicht dazu bringen konnte ihn einmal zu begleiten aber er würde ihn nicht zwingen.

Doch heute hatte er etwas erfahren, bei dem er sich der Begleitung des Jüngeren sicher sein musste und eigentlich auch war. Er hatte auf dem Marktplatz einige Passanten belauscht, deutsche Wissenschaftler auf der Flucht vor dem Ende. 

Er schloss die Tür auf und warf die kleine Tasche auf die Kommode.

"Bin wieder da", rief er unnötiger Weise aus Gewohnheit und lies sich zu Zero aufs Sofa fallen.

Der Jüngere schmunzelte.

"Freut mich. Wie war's?"

Proto packte die kleine Geldbörse aus. Es war nicht viel aber es sollte die Miete decken.

"Naja, war recht ruhig aber ich hab etwas interessantes gehört. Auf dem Marktplatz waren ein paar Wissenschaftler aus Deutschland unterwegs. Sie meinten das die Forschung zu Projekt GHOST eingestellt wurde und das die Unterlagen hier in der Nähe wären bis zur Vernichtung. Der Ort den sie nannten liegt nahe der Grenze, in drei Tagen wird die SS scheinbar alles was sich dort befindet vernichten."

Er betrachtete Reis Gesichtszüge die angespannt wirkten. So nützlich manchmal die Informationen in seinem Gesichtsfeld waren, so störend und fehlerhaft schienen sie in Bezug auf den Anderen zu sein. Vielleicht war es auch nur eine Täuschung aufgrund ihrer äußerlichen Ähnlichkeit. Er wusste nicht ob es Zero genauso ging doch schob er es meist einfach auf diese Ähnlichkeit und die Tatsache immerhin der Prototyp gewesen zu sein. Fehler waren wohl in dieser Situation normal.

"Unterlagen?" Akten über uns?" Zero blinzelte leicht als er wie aus einer Trance zu erwachen schien.

"Meinst du, dort gibt es auch noch welche über dich,... und mich?" fragte er fast zögernd.

"Da bin ich mir sogar sehr sicher. Es waren zwar keine Einheiten mehr im Einsatz soweit ich weiß, aber Aufzeichnungen müsste es noch geben. Früher... hat es mich nie interessirt was gechehen war, doch nun würde ich doch gerne mehr darüber erfahren. Was verändert wurde, was gemacht wurde. Ich... erinner mich an Bruchstücke aus meiner Vergangenheit, doch.. habe ich immer das Gefühl es würde etwas fehlen."

Protos traurige Stimme jagte Zero eine Gänsehaut über den Rücken. Er kannte das Gefühl nicht vollständig zu sein nur zu gut. Ein Teil seiner Vergangenheit war ihm damals auf dem Schlachtfeld wieder eingefallen beim Anblick des zerrissenen Fotos in seiner Hand, und dennoch fehlten ihm Teile der Vergangenheit. 

"Du willst dort einbrechen und diese Aufzeichnungen besorgen, hab ich Recht?"

Proto nickte leicht, auch wenn er sich sicher war, das es eine rethorische Frage des Anderen gewesen war.

"Dann sollten wir bald los, denn die angeblichen drei Tage könnten um einiges kürzer sein in den rasebnden Entwicklungen der letzten Zeit."

Der Ältere nickte leicht, lächelte zufrieden darüber das der andere auch wieder an seiner Seite sein würde.

"Dann lass uns heute aufbrechen. Ich werde die Miete noch bezahlen, damit wir nach der Rückkehr unsere Wohnung noch haben."

Er schmunzelte und erhob sich. Die Gefahr gefangen zu werden oder zu sterben war vorhanden, doch irgendwie reizte es ihn umsomehr dieses Risiko einzugehen.

Als er zurückkam hatte Rei sich umgezogen und wartete am Fenster auf ihn. Er schmunzelte, zog sich um und nickte leicht.

"Den Schlüssel können wir ihr in den Blumentopf legen, dann können wir wieder rein wenn wir zurück sind."

Rei nickte. "Gut, dann lass uns gehen. Die Zeit läuft."

Es machte ihn nervös zu wissen dass sie vielleicht bald alles ihrer Vergangenheit erfahren würden und dem was wirklich geschehen  war. Doch es freute ihn. und somit schloss er sich mit Freude dem Älteren an als dieser sich auf den Weg machte.

 

Das Gebäude wirkte unscheinbarer als sie es angenommen hatten. Der große Betonkasten der inmitten des abgezäunten Areals stand wirkte wie ein verlassener Schatten im fahlen Licht der aufgehenden Sonne. Auch wenn sie die ganze Strecke ohne Pause gelaufen waren, so hatten sie länger gebraucht als gehofft. Die Sonne versuchte schon ihre Strahlen durch die hartnäckigen Wolken des Morgens zu schieben als Proto und Zero in Sichtweite zum Gebäude in Deckung gingen.

Der Schein trügte nicht, auf dem Gelände und im Gebäude konnten sie keine menschlichen Regungen feststellen. Schweigend und sich nur mit Blicken verständigend erhoben sie sich, schlichen lautlos näher und betrachteten die verschlossene Tür.

Ein Vorhängeschloss - war das wirklich deren Ernst? Proto tauschte einen fragenden Blick mit Zero. Was wenn es sich um eine Falle handelte? Wenn da drin nichts war von dem was sie sich erhoften? Sie waren unbewaffnet und vermutlich wären sie gegen eine Division der SS machtlos, selbst mit den ihnen zueigenen Fähigkeiten.

Zero bemerkte die Zweifel es Älteren, hatter er sich beim Anblick des verlassenen Schattens auchz gehabt. Doch was wenn es wirklich einfach nur Zufall war? wenn einfach niemand damit rechnete das jemand sich für diese Unterlagen interessierte, geschweige denn von ihnen wusste? Er sah den Anderen an, nickte kaum merklich als er die Hand um das Vorhängeschloss legte, es ohne wirkliche Mühe öffnete. Er schob die Tür auf, lauschte mit allen Sinnen ins Innere der Dunkelheit die sie darin erwartete. Kein Geräusch war zu hören, es herrschte eine Totenstille.

Reis Blick glitt durch die Dunkelheit, erkannte die Regale an den Wänden,die Kisten auf dem Boden. Es wirkte nichts sortiert oder geordnert, eher ein wahres Sammelsorium an Papier wie es schien.

Langsam betraten sie den Raum, sahen sich in den einzelnen Gängen um und versuchten aus den Regalen etwas brauchbares zu finden.

Sie waren ebeide in die Unterlagen vertieft als sie das leise Pfeifen hörten. Zuerst nur aus der Ferne, doch kontinuierlich wurde es lauter. Zero sah auf, blinzelte den anderen fragend an, als er urplötzlich um stabilen Stand kämpfen musste als das Gebäude von einem Aufprall zu erzittern begann. Es lag unter Beschuss von Fliegerstaffeln, dem Pfeifen der Raketen nach zu urteilen die auf es niederprasselten.

Proto sah den Jüngeren an, hielt sich an einem der Regale fest als der Boden erneut wie bei einem Erdbeben schwankte.

"Wir müssen hier raus. SOFORT!" rief er als ein weiterer Einschlag die Wände erzittern lies.

Als Antwort drehte der Jüngere sich um und rannte los. Das Pfeifen der Raketen und Granaten häufte sich und war nicht mehr zu überhören. Er hatte die Tür fast erreicht als das Gebäude durch eine Druckwelle der auftreffenden Granaten zso schwankte, dass es ihn von den Beinen riss. Als er sich aufrichteten wollte glitt sein Blick an die Decke, ein großes Loch klaffte darin und sie schien näher zu kommen.

Der Aufschrei Protos und dessen Reaktion holten Zero in Sekunden zurück in die Realität. Ein brennender Balken hatte sich aus der Decke gelöst und war nach unten gefallen. Hätte der andere Cyborg nicht reagiert und ihn mit einem Stoß aus der Bahn gelehnt hätte er Zero unter sich begraben.

Die Aktion des Älteren hatte Zero zwar das Leben gerettet allerdings auch den einfachen Fluchtweg durch die Tür blockiert. Ihnen blieb nichts anderes übrig als einen anderen Ausweg zu finden. Da der Weg nach vorn versperrt war mussten sie eine Hintertür finden, oder notfalls eine schaffen. Zeitgleich liefen die beiden Männer zurück ins Innere der Halle, sahen sich auf der Suche nach einem anderen Ausweg.

"Da ist eine Tür!"

Von weitem war die besagte Tür nicht zu erkennen gewesen, doch nun wo sie fast direkt davor standen war das anders. Sie wirkte instabil doch als Zero sie öffnen wollte musste er mehr Kraft aufwenden als er dachte. Knirschend öffnete sich die schwere Stahltür, gab den Blick unter flackernden Lichtern auf ein provisorisches Labor frei.

Dieser Teil des Gebäudes schien von den Angriffen bisher relativ verschont geblieben zu sein. Die Regale und andere Einrichtung stand weiterhin aufrecht und wirkte nur üblich chaotisch. Die leicht bläuliche Beleuchtung flackerte unter den hier seltsam dumpf klingenden Detonationen. Vermutlich war der Generator getroffen worden es und es war nur eine Frage der Zeit bis das Licht ganz ausfallen würde. Die beiden tauschten einen fragenden Blick bevor sie weiterschlichen. Irgendetwas war wir, etwas von Bedeutung. Dieses Labor war menschenverlassen und dennoch hatten beide das Gefühl beobachtet zu werden.

Hier gab es durch die gedämpften Geräusche ein trügerisches Gefühl der Sicherheit, welches beide veranlasste sich den Inhalten der Regale und Schränke zu widmen.

"Ca..:Camui?" Rei blickte von der Akte auf die er aus dem Schrank gezogen hatte und sah den anderen an der den Medizinschrank auf der anderen Seite des Ganges durchsuchte.

"Das sind die Akten über die gelungen Cyborgs. Über dich,... und mich", fuhr er murmelnd fort als der andere zu ihm sah.

Camui schluckte leicht, schloss den Schrank und wollte sich gerade komplett zu Rei umdrehen als ihm die beiden rot glühenden Punkte in der Dunkelheit auffielen. Einen leisen, überraschten Aufschrei konnte selbst er sich nicht verkneifen als die Punkte allerdings auch schon wieder verschwunden waren.

"Hast du sie auch gesehen?" Reis Frage beruhigte ihn immerhin in dem Maße zu wissen das er nicht unter Halluzinationen litt. Der Ältere sah sich um, konzentrierte all seine Fähigkeiten auf seine Umgebung, versuchte jedes noch so kleine Geräusch zu erkennen.

Da...- ein... Herzschlag? Er musterte Rei neben sich. Dessen Herz war es nicht, es schlug schwächer, unregelmäßiger und... aus einer anderen Richtung. Er musterte die Dunkelheit im hinteren Teil des Raumes, konzentrierte sich auf den Herzschlag den er von dort wahrnahm.

Er war so konzentriert das er das leise aufkeuchen nicht verhindern konnte als ihm die Gestalt auf einem der Medizinstühle auffiel. Sie ähnelten elektrischen Stühlen waren mit Schlaufen und allerlei anderen Dingen ausgestattet und dazu gedacht denjenigen der darauf saß eingehen untersuchen und testen zu können.

Die roten Punkte die sie zuvor wahrgenommen hatten erschienen wieder als der Cyborg langsam die Augen öffnete.

Rei stockte der Atem. Er hatte gedacht er wäre der letzte gewesen in diesem grausamen Spiel mit Menschenleben und Würde doch hatte er sich wohl getäuscht in der Machtgier der Nazis.

Der Cyborg war nicht älter als dreißg, schlank und sichtlich sehr schwach. Vermutlich hatte er die Umwandlung nur mit Mühe überlebt und die gerade herrschenden Zustände machtes es unmöglich sich um ihn zu kümmern. Apathisch starrten die roten Augen in ihre Richtung, vermutlich ohne sie wirklich wahrzunehmen oder analysieren zu können.

Langsam näherten sie sich der Gestalt, musterten den auf den auf dem Stuhl fixierten Körper. Die Augen sahen sie an, doch erkannte man nichts als Leere in ihnen. Wer auch immer dieser Mann einmal gewesen sein mochte, es war nichts mehr übrig aus dessem früheren Dasein.

"Er ist zu schwach. Sie... haben ihn hiergelassen um..." Rei brach ab. Er war nicht sicher ob der Mann vor ihnen sie vertand und wusste was die Nazis mit dem Gebäude vorhatten. Er mochte die Erschütterungen spüren, die Bombeneinschläge hören aber ob er sich bwusst war das man ihn lebend zum Sterben hiergelassen hatte, da war sich keiner von beiden sicher.

Camui trat langsam näher, betrachtete den Cyborg vor sich während er nach der Akte griff die neben diesem auf dem Tisch lag.

"Nitro..." murmelte er leise als er den Namen auf dem Deckblatt vorlas.

Rei trat näher, lehnte sich über Camuis Schulter um ebenfalls lesen zu können.

"Sie wollten einen weitren Nachfolger haben, doch scheinbar ging etwas schief. >Das Objekt ist nicht lebensfähig. Aufgrund der Fehlschläge und der momentanen Lage haben die Oberbefehlshabenden die sofortige Einstellung und Vernichtung der Forschungen im Projekt G.H.O.S.T. befohlen.<"

Camui schluckte leicht als er es vorlas, einen Seitenblick auf den Cyborg nehmen ihm werfend.

Erneut bebte das Gebäude unter mehreren Einschlägen und Rei hielt sich an einem Regal fest. Es wurde Zeit zu verschwinden und nicht nur er hatte diesen Gedanken.

Camui warf die Akte zurück auf den Tisch, sah ihn an bevor er auf eine andere Tür deutete. Vermutlich hoffte er einfach nur das sie auf diesem Wege endlich rauskommen würden.

Rei zog Camui am Ärmel, sie konnten den Cyborg vielleicht nicht retten, aber es wäre unmenschlich ihn in vollem Bewusstsein seinem Schicksal zu überlassen. Beide waren sich einig das der junge Mann genug gelitten hatte. Camui nickte und drehte sich nochmals zu dem Cyborg um, näherte sich vorsichtig der zusammengesunkenen Gestalt. Der Herzschlag war langsam, vollkommen ruhig und nur sehr leise wahrnehmbar. Sollte der andere wirklich irgendwas mitbekommen von seiner Umgebung, so war er wirklich zu schwach um zu überleben. Entweder das oder er hatte sich aufgegeben in dem Moment in dem man ihn in dieser Lage allein gelassen hatte.

Vorsichtig legte er die Hand in den Nacken des Cyborgs, spürte wie dieser sich bei der Berührung verkrampfte. Doch statt seinen Blick auf Camui zu richten, starrte er weiter geradeaus. Es hatte ihn schon gewundert wieso er sie nie direkt angesehen hatte, nun wusste er es. Dieser Cyborg war blind und taub. Camui schluckte leicht als er den kleinen Schalter in dessen Nacken fand und umlegte. Sofort entspannte sich das Wesen vor ihm, schloss die Augen und Camui wandte den Blick ab. Nun würde es in Ruhe sterben können. Er wollte sich nicht ausmalen, was Nitro gefühlt hatte, gedacht hatte und wie lange er schon hier allein gewesen war.

Erneut griff er nach der Akte, stopfte sie zu den anderen in die Tasche die er umhängen hatte und folgte Rei zu der Tür im hinteren Teil des Labors. Es dauerte etwas bis sie den Weg freigeräumt hatten, doch als es endlich geschafft war atmeten sie erleichtert auf das es sich tatsächlich um einen Weg nach draußen handelte.

Sie sahen sich kurz um bevor sie losrannten, die Detonationen hinter ihnen ignorierend als das Gebäude kurz darauf vollständig im Flammenmeer weiterer Bomben in sich zusammenbrach.